War for Talents – nur ein Battle um die Besten?

Stellenanzeige in die Zeitung setzen und gemütlich zurücklehnen bis die Bewerber zur Tür hereinspazieren – das klappte vielleicht früher einmal. Aber diese Zeiten sind längst vorüber. Nicht wenige Unternehmen klagen über grosse Schwierigkeiten, geeignete Arbeitskräfte zu finden. Vakanzen bleiben monatelang unbesetzt, weil Bewerbungen ausbleiben und die Besten sowieso woanders anheuern. Und schon findet man sich als Arbeitgeber oder Personaldienstleister mittendrin – im War for Talents. Die Personalbeschaffung als Schlachtfeld, auf dem man nur mit der richtigen Strategie bestehen kann. Das mag ein etwas überzeichnetes Bild sein. Dennoch hat sich die Metapher in den Köpfen längst festgesetzt, wenn es um das Recruiting begehrter Fachkräfte geht.

Definition: War for Talents

Der inzwischen recht weitläufig verwendete Begriff «War for Talents» geht auf eine Publikation der Unternehmensberatung McKinsey & Company zurück. «Better Talent is worth fighting for…» – So beginnt die im Januar 1998 veröffentlichte Studie*, die die Personalstruktur und das Rekrutierungsverhalten grosser US-Unternehmen untersucht hat. Bereits seinerzeit gab es Probleme, vor allem bei der Besetzung von Schlüsselpositionen. Die Unternehmen begannen, sich gegenseitig Konkurrenz um geeignete Kandidaten zu machen. Wer zahlt das meiste Gehalt, wer bietet exzellente Karrierechancen? «The War for Talent» – der Kampf um die besten Köpfe, um die «High Potentials» war geboren. Der «Hauptkriegsschauplatz» lag dabei vor allem bei den Top-Absolventen angesehener Hochschulen und Universitäten.

Wodurch ist der War for Talents entstanden?

Es geht längst nicht mehr bloss um diese «High Potentials» aus Akademikerkreisen und um die Belange von Grosskonzernen. Viele Berufsgruppen und Betriebe jeder Couleur sind mittlerweile von Nachwuchssorgen und Fachkräftemangel geplagt. Mit ein Hauptgrund ist die zunehmende Überalterung der Schweizer Bevölkerung. Salopp gesagt: Es wachsen einfach nicht mehr genug potenzielle Arbeitnehmer nach, um die entstehenden Lücken zu füllen. Hinzu kommt, dass die Schweiz im internationalen Vergleich an Attraktivität verliert und damit immer weniger ausländische Fachkräfte anzieht.

So entsteht eine Schieflage am Arbeitsmarkt und Unternehmen können ihren Bedarf nicht mehr ohne Weiteres decken. Wenn aber der Kandidatenpool schrumpft, nimmt der Konkurrenzdruck um die passenden Bewerber an Fahrt auf. Diese werden dadurch zu einem begehrten Gut und können sich aussuchen, wo sie arbeiten wollen. Vor allem junge Talente und diejenigen, die gerade in den Beruf einsteigen, haben ganz andere Vorstellungen davon, wie sie ihr Arbeitsleben gestalten möchten. Der Job als reiner Broterwerb? Das ist heute eher die Ausnahme, denn die Regel. Ansprüche und Erwartungen der Arbeitnehmerschaft an den Beruf sind ohne Zweifel gewachsen.

Auch die Arbeitswelt selbst hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Die Entwicklung geht immer mehr in Richtung Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft. Bestimmte Berufe werden an Bedeutung verlieren, bei anderen wiederum steigt der Bedarf zukünftig stark. Ein Blick auf den Schweizer Stellenmarkt zeigt beispielsweise, dass Nachwuchskräfte im Gesundheits- und Sozialwesen fehlen. Grosser Bedarf besteht bei den sogenannten MINT-Berufen und vor allem im Handwerk. Nicht zuletzt versorgt die Globalisierung den War for Talents zusätzlich mit Munition in Form von internationalem Konkurrenzdruck. Die jungen Generationen sind viel flexibler und stehen einem Wechsel ins Ausland aufgeschlossen gegenüber, wenn die Bedingungen dort besser sind.

Im War for Talents bestehen – aber wie?

Geld als Motivation

Im Grunde genommen kann es sich kaum ein Unternehmen leisten, die Nachwuchsproblematik zu ignorieren. Was aber tun? Um im War for Talents auf der Siegerseite zu stehen, müsse man einfach die besten Voraussetzungen bieten, so heisst es. Doch was bedeutet das genau? Es kann an dieser Stelle kaum eine «One-fits-all» Lösung geben. Denn ob man als Arbeitgeber attraktiv wirkt, liegt immer im Auge des Betrachters. Was sich in der jüngeren Vergangenheit etabliert hat, sind einerseits neue Formen des Recruitings. Unternehmen warten nicht mehr ab, bis sie gefunden werden, sondern sie gehen selbst aktiv auf die Suche. Active Sourcing ist sicher einer der Trends, um Kandidaten gezielt anzusprechen. Mit der Ansprache allein ist es jedoch nicht getan. Das Angebot an potenzielle Mitarbeitende muss ebenfalls passen und da wird es schon schwieriger. Was erwarten diese eigentlich genau?

Geld ist nach wie vor ein grosser Motivator. Monetäre Anreize sind aber längst nicht mehr allein ausschlaggebend, ob sich Menschen für oder gegen einen Job entscheiden. Viele wünschen sich eine konkrete Perspektive zur Weiterentwicklung. Sie wollen im Unternehmen mitbestimmen und -gestalten. Die eigenen Werte sollen am Werktor oder an der Bürotür nicht abgegeben werden müssen. Dabei spielt das Image, das ein Arbeitgeber hat, im War for Talents schon im Vorfeld eine wichtige Rolle. Im Grunde genommen ist es wie in der Werbung. Kunden kaufen, wenn sie überzeugt sind und sich mit der Marke identifizieren können. Und Kandidaten kommen, wenn sie das Gefühl haben, im Unternehmen das zu finden, was ihren Vorstellungen entspricht.

Massnahmen im War for Talents

Das Employer Branding – die eigene Arbeitgebermarke bildet an dieser Stelle einen ersten, wichtigen Berührungspunkt. Genau wie in der Werbung wird das nach aussen transportiert, was einen als Arbeitgeber besonders macht. Nur gelingt das nicht bloss mit schönen Worten, sondern Image und Wirklichkeit sollten schon übereinstimmen. Mit einem üppigen, überdurchschnittlichen Salär kann sicherlich nicht jedes Unternehmen aufwarten. Trotzdem hat man Einfluss darauf, ein Arbeitsumfeld zu gestalten, das sich positiv auf die Mitarbeitenden und damit letztendlich auf die Arbeitgebermarke auswirkt.

Unternehmenskultur

Einer der stärksten Motivationsfaktoren im Job ist ein gutes Arbeitsklima, mithin ein gutes Verhältnis zu Kollegen und Vorgesetzten. Eine offene und transparente Unternehmenskultur sorgt für einen angstfreien und freundschaftlichen Umgang miteinander und steigert die Arbeitsplatzzufriedenheit.

Work-Life-Balance

Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, geht noch immer mit grossen Hürden und Kompromissen einher. Flexible Arbeitszeiten und Home-Office-Optionen schaffen Freiräume für junge Eltern. Eine unternehmensinterne Kinderbetreuung kann zusätzlich einen ganz besonderen Anreiz bilden.

Entwicklungsperspektiven

Welche Möglichkeiten bietet mir mein neuer Job? Das ist eine Frage, die sich viele stellen, wenn sie sich bewerben. Dabei geht es gar nicht so sehr darum, in zehn Jahren selbst im Chefsessel zu sitzen. Sondern vielmehr, sinnstiftende Aufgaben zu haben, Anerkennung für Geleistetes zu bekommen und sich auch persönlich weiterentwickeln zu können.

Führungskultur

Starre Hierarchien wirken auf viele junge Talente eher abschreckend. Die moderne Mitarbeiterführung setzt auf einen coachenden bzw. situativen Führungsstil. Es wird nicht von oben nach unten durchdelegiert, stattdessen werden Mitarbeitende in Entscheidungsprozesse eingebunden. Konstruktive Kritik und ein offener Umgang mit Fehlern sind selbstverständlich.

Natürlich kann nicht jedes Unternehmen diese und andere Massnahmen intern 1:1 umsetzen. Es kommt ja auch immer auf die eigenen Möglichkeiten und Voraussetzungen an. Dennoch sollte man sich als Arbeitgeber verstärkt um die Zufriedenheit der eigenen Mitarbeitenden kümmern. Denn nur dann kann die Aussenwerbung auch halten, was sie verspricht und damit ein wirksames Instrument zur Bewerberansprache sein.

Der Bewerbungsprozess als Aushängeschild

Wie gut das eigene Image auch sein mag, der War for Talents entscheidet sich im Bewerbungsprozess. Und hier besteht leider immer noch grosser Nachholbedarf auf Seiten der Arbeitgeber. Wenn Bewerber wochenlang auf eine Rückmeldung warten oder noch nicht einmal eine bekommen, sorgt das für Frust. Man hört und liest von Jobinterviews, in denen Kandidaten herablassend behandelt werden. Wo Personalverantwortliche offenbar noch nicht einmal die Bewerberunterlagen gelesen haben. Das ganze dann abgerundet mit peinlichen oder unerlaubten Fragen.

Wenn sich an dieser Stelle bereits ein gewisses Mass an Geringschätzung zeigt, darf man sich nicht wundern, dass die Bewerber nicht Schlange stehen. Oder aber gelegentlich den Spiess umdrehen und sich selbst, trotz Zusage, einfach nicht mehr melden. Kunden gegenüber gilt das Credo: «Der Kunde ist König». Warum trifft das nicht genauso auf Jobinteressenten zu? Eine gute Candidate Experience ist nämlich auch ein wirkungsvolles Aushängeschild. Viel zu oft werden Bewerber eher als Bittsteller betrachtet. Doch wer wirklich im Kampf um Talente punkten will, muss ihnen auf Augenhöhe begegnen.

Das interne Potenzial nutzen

Vielleicht tut die kriegerische Assoziation, die der Begriff War of Talents auslöst, insgesamt nicht gut. Denn sie versperrt in gewisser Weise den Blick nach innen. Es geht vornehmlich darum, sich von der Konkurrenz abheben zu müssen. Darum, dass die vermeintlich Besten nur von aussen zu bekommen sind. Was aber ist mit den Mitarbeitenden aus den eigenen Reihen? Können die überhaupt ihr Potenzial entfalten? Schliesslich hat man sie ja irgendwann einmal als vielversprechende Kandidaten eingestellt. Nachwuchsförderung sowie Aus- und Weiterbildung innerhalb des Unternehmens sollten zu einer strategischen Personalplanung unbedingt dazu gehören.

Was nützt der externe «High Potential», der zwar das Anforderungsprofil zu 100 Prozent erfüllt, aber nicht ins Team passt? Wer auf Bewerbersuche ist, ist gut beraten, sich nicht ausschliesslich auf die beste fachliche Eignung zu versteifen. Auch ein Blick auf die vermeintlich zweite Wahl kann sich lohnen. Nämlich dann, wenn diese ein vorhandenes Team gut ergänzt. Und dass Teamarbeit mehr Erfolge bringt, ist ja schon lange kein Geheimnis mehr. Es gibt also Mittel und Wege, anstatt in die Schlacht zu ziehen, dem War for Talents ein Schnippchen zu schlagen.

*The McKinsey Quarterly 1998, Number 3: «The War for Talent» (↗ ResearchGate)

Fotos: Pixabay.com | Gerd Altmann | Mohamed Hassan

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