Ist der Schweizer Arbeitsmarkt der Zukunft gewachsen?

Der Schweizer Arbeitsmarkt gilt gemeinhin als besonders offen, liberal und dynamisch. Seit vielen Jahren ist die Wirtschaft relativ stabil und die Zahl der Erwerbstätigen eine der höchsten der Welt. Trotzdem ist die Schweiz keine Insel der Glückseligen. Auch hierzulande gibt es Arbeitslosigkeit. Sowohl konjunkturelle Schwankungen als auch politische Entscheidungen und internationale Entwicklungen beeinflussen die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Zuletzt hat dies auch die Temporärbranche zu spüren bekommen. Denn die Einsatzstunden in diesem Bereich waren 2019 kontinuierlich rückläufig.

Aktuelle Gesamtarbeitsmarktzahlen Schweiz

Dennoch zeichnet ein Blick auf den Gesamtarbeitsmarkt ein insgesamt positives Bild. Im Vergleich von 4.6 % im Jahr 2018 ist die Erwerbslosenquote 2019 auf 3.9 % gesunken. Damit liegt sie unter dem EU-Durchschnitt von 6.2 %*. Die vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) ermittelten Zahlen sind mit 2.5 % (Dezember 2019) noch geringer. Diese Abweichung ist aber auf die unterschiedlichen Methoden bei der Erhebung zurückzuführen. Während das BfS vierteljährlich Umfragen durchführt und das Ergebnis auf die Gesamtbevölkerung hochrechnet, zieht SECO monatlich die Zahl der bei den RAV gemeldeten Arbeitslosen heran.

Aber man darf die Zahlen durchaus hinterfragen. Die statistischen Abweichungen zeigen deutlich, dass sich längst nicht jeder, der erwerbslos geworden ist, bei den RAV zur Vermittlung meldet. Über die Gründe lässt sich sicher trefflich spekulieren. Außerdem trifft die Erwerbslosigkeit verschiedene Branchen in ganz unterschiedlichen Ausmassen. Demografischer Wandel, Digitalisierung und Zuwanderung bedingen in einigen Bereichen einen Fachkräftemangel. Andererseits führen diese Faktoren woanders zum Wegfall von Arbeitsplätzen. Zudem sollte man ebenfalls im Auge behalten, dass ein Rückgang bei den Erwerbslosenzahlen noch lange keine Vollbeschäftigung bedeutet. Denn in den vergangenen Jahren hat der Anteil der Teilzeitarbeit erheblich zugenommen. Dieser Umstand geht unter anderem auf die Tatsache zurück, dass sich viele Menschen mehr Flexibilität in ihrem Arbeitsleben wünschen.

Der liberale Arbeitsmarkt in Gefahr?

Gerade diese Flexibilität ist es, die eine internationale Wettbewerbsfähigkeit garantiert. Wenn der liberale Arbeitsmarkt Schweiz bisher durch eine weitgehende Wirtschaftsfreiheit geprägt war, werden inzwischen Stimmen laut, die mehr Regulierung fordern. Durch Einführung der Stellenmeldepflicht hat man dem von Regierungsseite bereits Rechnung getragen. Doch nicht nur dies wirkt sich insbesondere auf die Temporärbranche negativ aus. Der Verband der Personaldienstleister «swissstaffing» warnt vor allem vor der Einführung kantonaler Mindestlöhne und einem verstärkten Kündigungsschutz. Von diesen Massnahmen würden kurzfristig nur die profitieren, die ohnehin schon Verlierer am Arbeitsmarkt sind.

Stattdessen ist es viel nachhaltiger, die berufliche Bildung den neuen Erfordernissen anzupassen und gezielte Weiterbildungen zu ermöglichen. Das kann besonders denjenigen mit einem geringen Bildungsgrad helfen, sich am Arbeitsmarkt zu behaupten oder neue berufliche Wege zu gehen. Damit bleibt auch in Zukunft der Zugriff auf einen qualifizierten Bewerberpool gewährleistet. Genauso wichtig in diesem Zusammenhang ist der Erhalt der Personenfreizügigkeit. Denn fällt diese weg, wird die Besetzung von Vakanzen, die schon jetzt kaum ausgefüllt werden können, noch schwerer.

Die zweite Säule des liberalen Arbeitsmarktes ist die Sozialpartnerschaft. Arbeitnehmerverbände versuchen inzwischen vermehrt, diese auszuhebeln. Dabei garantiert die Sozialpartnerschaft über den GAV Personalverleih bereits branchenspezifische Standards, die weitestgehend ohne staatlichen Eingriff auskommen. Dazu gehören Mindestlöhne und betriebliche Arbeitszeitregelungen. Eine Abkehr von der Sozialpartnerschaft bewirkt nur eine weitere Regulierung flexibler Arbeitsformen und damit einen weiteren Rückgang der Temporärarbeit. Dies wiederum senkt langfristig die Wettbewerbsfähigkeit.

Der Arbeitsmarkt verändert sich

Ob wir es wollen oder nicht, der Arbeitsmarkt ist nicht statisch. Sich Veränderungen bestmöglich anzupassen, ist letztendlich der Garant für Stabilität. Dabei kommt es nicht nur auf den unternehmerischen Standpunkt an. Darüber hinaus müssen auch die Wünsche der Arbeitnehmenden Berücksichtigung finden. Ob das mithilfe von mehr staatlicher Regulierung gelingen kann, erscheint fraglich. Immerhin möchten gut 50 % der Schweizer gerne flexibler arbeiten. Weitere Einschränkungen im Bereich der Temporärarbeit stehen dem aber genau entgegen. Mit der bevorstehenden Änderung des Gleichstellungsgesetzes zum 01.07. dieses Jahres könnte gleich die nächste Herausforderung bevorstehen.

Quelle: swissstaffing – White Paper «Flexibilität und Sozialpartnerschaft»
*Bundesamt für Statistik – Schweizerische Arbeitskräfteerhebung 4. Quartal 2019

Foto: Pixabay

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